
Carl war ein Mann, der Träume studierte. Er verbrachte seine Tage damit, die verborgenen Welten in den Köpfen der Menschen zu kartieren. Eines Tages erhielt er eine Einladung, nicht in einen Geist zu reisen, sondern an einen Ort, der sich anfühlte wie ein lebendig gewordener Geist: Indien. Er packte seine Koffer, nicht für einen Urlaub, sondern für einen großen Vergleich.

Als Carl ankam, war es, als hätte sich die Welt von innen nach außen gekehrt. Mythen und Götter standen nicht nur in Büchern; sie tanzten auf den Straßen und blickten von den Mauern der Tempel. „Es ist ein Traum“, flüsterte er sich zu und hielt sein Notizbuch fest. „Ein wunderschöner, überwältigender Traum.“

Er sah Menschen, die in einem Zustand der Einheit zu leben schienen, in dem Wissenschaft und Geist keine getrennten Dinge waren. Das beunruhigte Carl. Er war ein Mann der Vernunft und der scharfen Linien. Er spürte, dass, wenn er zu lange bliebe, seine eigenen scharfen Linien verschwimmen und er sich im Traum auflösen könnte. „Ich darf nicht indisch werden“, dachte er. „Ich muss verstehen.“

Er traf einen weisen Philosophen namens Iyer. Sie saßen unter einem großen Banyanbaum und unterhielten sich stundenlang, nicht über Götter, sondern über das „Ich“ in jedem Menschen. „Das ‚Ich‘ ist eine Geschichte, die wir uns selbst erzählen“, sagte Iyer mit einem Lächeln. „Eine nützliche Geschichte, aber dennoch eine Geschichte.“

Carl widersprach. „Aber das ‚Ich‘ ist real! Es ist der Kapitän unseres Schiffes!“ Er war beeindruckt von Iyers scharfem Verstand, der so präzise war wie der eines jeden Wissenschaftlers. Sie waren sich nicht einig, aber in ihrer Meinungsverschiedenheit sah Carl eine neue Landkarte des Geistes, eine mit anderen Kontinenten und Ozeanen als seiner eigenen.

Später besuchte Carl einen Tempel am Meer. Seine Steinmauern waren mit Schnitzereien bedeckt. Anders als in den Kirchen zu Hause, wo Gut und Böse weit voneinander getrennt waren, zeigte dieser Tempel alles zusammen. Leben und Tod, Schönheit und Schrecken, alles als Teil eines großen, göttlichen Tanzes.

„Hier wird der Schatten nicht versteckt“, erkannte er. In seiner eigenen Welt war Gott nur Licht, und die Dunkelheit wurde verdrängt. Aber hier hatten die Götter selbst Schatten. Sie konnten sowohl Schöpfer als auch Zerstörer sein. Das fühlte sich wahrer an, vollständiger.

Die Reise war hart für Carls Körper. Er erkrankte in Kalkutta und sein eigener Geist begann zu träumen. Die Welt löste sich in Fieber und Visionen auf. Er spürte, wie er hoch über der Erde schwebte, einer winzigen blauen Murmel in der samtenen Schwärze des Weltraums.

In seiner Vision sah er einen aus schwarzem Fels gehauenen Tempel, der im Kosmos schwebte. An seinem Eingang saß eine dunkelhäutige Gestalt in vollkommener Stille. Es war kein Gott, den er aus irgendeinem Buch kannte. Es war etwas Neues, etwas Ganzes.

Als Carl aufwachte, war das Fieber verschwunden. Er wusste, dass er kein neues Land zum Leben gefunden hatte, sondern eine neue Art, seinen eigenen Geist zu sehen. Er war nach Indien gereist, um andere zu verstehen, aber am Ende hatte er durch die Hitze, die Debatten und die Fieberträume ein vollständigeres Bild von sich selbst gefunden.