Der glückliche Zufall

Arthur liebte seine tägliche Routine. Jeden Nachmittag, genau um drei, ging er im Stadtpark spazieren und setzte sich auf dieselbe Bank unter der alten Eiche. Er beobachtete die Welt, die an ihm vorbeizog, und dachte oft an die Freunde seiner Kindheit und fragte sich, was wohl aus ihnen geworden war.

An diesem besonderen Nachmittag spazierte auch Elsbeth durch denselben Park. Sie war erst vor Kurzem zurück in ihre Heimatstadt gezogen und genoss es, die vertrauten Wege ihrer Jugend wiederzuentdecken. Ein fröhlicher Wind spielte mit den Enden ihres Schals.

Plötzlich erfasste eine stärkere Windböe Elsbeths Hut und hob ihn kurz an. Eine kleine, leuchtend blaue Feder, die sie zur Zierde in das Hutband gesteckt hatte, löste sich und wurde vom Wind davongetragen. Elsbeth bemerkte es nicht einmal.

Die Feder tanzte und wirbelte durch die Luft, ein kleiner blauer Fleck am herbstlichen Himmel. Sie segelte über den Teich, vorbei an den spielenden Kindern und landete schließlich sanft direkt neben Arthurs Schuh, als er auf seiner Bank saß.


Arthur bückte sich und hob die Feder auf. Sie war von einem Eichelhäher. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er erinnerte sich an ein Mädchen aus seiner Schulzeit, seine beste Freundin, die genau so eine Feder immer im Haar trug. Sie nannte sie ihren Glücksbringer.

Er blickte auf, um zu sehen, woher die Feder gekommen sein mochte. Ein Stück den Weg hinunter sah er eine Dame, die sich gerade den Hut zurechtrückte. Sein Herz machte einen kleinen Sprung. Konnte es sein?

Langsam ging Arthur auf sie zu. „Verzeihung“, sagte er mit leiser Stimme. „Ich glaube, Sie haben etwas verloren.“ Er hielt ihr die kleine blaue Feder auf seiner offenen Handfläche hin.

Elsbeth blickte auf die Feder und dann in das freundliche Gesicht des Mannes. Ihre Augen weiteten sich vor Unglauben, als sie ihn nach all den Jahren erkannte. „Arthur?“, flüsterte sie. „Arthur Bergmann? Bist du das wirklich?“

Es war ein Wiedersehen nach fast sechzig Jahren. Eine Windböe und eine kleine Feder hatten zusammengebracht, was die Zeit getrennt hatte. Sie setzten sich zusammen auf Arthurs Bank und redeten stundenlang, als wäre kein einziger Tag vergangen.

Von diesem Tag an war die Bank unter der alten Eiche nie wieder ein Ort der Einsamkeit. Es war ihr Treffpunkt. Ein Beweis dafür, dass die schönsten Geschichten des Lebens oft durch einen glücklichen Zufall geschrieben werden.

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